Pro Jahr erkranken 19.000 Menschen in Deutschland an Bauchspeicheldrüsenkrebs. Zu Beschwerden führt ein solches „Pankreaskarzinom“ allerdings meist erst dann, wenn die Erkrankung bereits weit fortgeschritten ist. Wird die Diagnose gestellt, sind die Überlebenschancen oft gering. Doch: Es gibt auch andere Fälle, die Mut und Hoffnung machen – nicht nur zum Welt-Pankreaskrebstag an diesem Donnerstag (18.11.2021). Denn in Forschung und Therapie gibt es lebensrettende Fortschritte.
Als Werner Müller (Name geändert) im Klinikum rechts der Isar aus der Narkose erwacht, fragt er nach der Uhrzeit. „Elf Uhr“, sagt eine Krankenpflegerin und Werner Müller, selbst Arzt, spürt Panik aufsteigen. Um neun Uhr hatte seine OP begonnen. Zwei Stunden nur? Das konnte doch nur heißen: Sein Bauch wurde geöffnet und gleich wieder zugenäht, weil sein Bauchspeicheldrüsenkrebs zu weit fortgeschritten war. Doch die Pflegerin hatte 23 Uhr gemeint. Denn Prof. Helmut Friess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie am Universitätsklinikum rechts der Isar und weltweit geschätzter Experte für Pankreas-Chirurgie, hatte elf Stunden mit seinem Team operiert – und das mit Erfolg: „Das Gefühl danach war bombastisch“, erzählt Müller. Er erinnert sich noch heute daran; sieben Jahre nach dem Eingriff, der ihm zusammen mit einer Chemotherapie und Bestrahlung das Leben rettete.
Zum Weltpankreaskrebstag am 18. November erstrahlt das Klinikum in der Farbe Lila
Dabei gilt Bauchspeicheldrüsenkrebs als besonders aggressiver Krebs. In Deutschland ist es die Krebsart, die am vierthäufigsten zum Tod führt. Prof. Friess will den diesjährigen Welt-Pankreaskrebstag am 18. November daher dazu nutzen, den Blick der Öffentlichkeit auf diese schwere Erkrankung und auf die Betroffenen zu ziehen. Friess will ihnen Mut und Hoffnung machen – und als sichtbares Zeichen dafür das Universitätsklinikum rechts der Isar lila beleuchten lassen, der Farbe des Welt-Pankreaskrebstages. Auch das Logo von Friess´ „Stiftung Chirurgie TU München“, die auch Selbsthilfegruppen wie den Arbeitskreis der Pankreatektomierten AdP e.V. unterstützt, wird an diesem Tag lila eingefärbt.
„Wir haben beim Bauchspeicheldrüsenkrebs deutliche Fortschritte erzielt“, sagt Friess über die Arbeit seines Forschungsteams. „Auch wenn wir im Vergleich zu anderen Tumorerkrankungen noch einiges aufholen müssen.“ Nur durch „intensive Forschung“ ließen sich Fortschritte erreichen – und die koste natürlich Geld.
Geld, das viele Leben retten könnte. Denn Expert*innen beobachten eine besorgniserregende Entwicklung. So steigt die Zahl der Patient*innen mit Krebserkrankungen der Bauchspeicheldrüse weltweit. „Die Ursache dafür ist bisher noch unbekannt“, sagt Prof. Dr. Dr. Ekin Demir, Oberarzt im Team von Prof. Friess. Klar ist nur: Häufiger als früher sind auch jüngere Menschen unter den Patient*innen.
So wie Albert Meier (Name geändert). Er ist erst 41 Jahre alt, als im Herbst 2009 ein bösartiger Tumor in seiner Bauchspeicheldrüse entdeckt wird. Die behandelnden Ärzt*innen daheim im Allgäu können ihm nicht helfen. Sie raten ihm, sich an die erfahrenen Expert*innen am Universitätsklinikum rechts der Isar in München zu wenden. Allein in den vergangenen zehn Jahren hat das Chirurgenteam unter der Leitung von Prof. Helmut Friess hier bereits mehr als 1000 Pankreas-Eingriffe durchgeführt. Doch schon damals zählt das Pankreaszentrum der Klinik für Chirurgie zu den bedeutendsten in Europa. Als die Chirurgen Meier sagen, dass sie den Krebs trotz der Größe des Tumors operieren können, ist ihm gleich klar: „Das mache ich. Ich hatte absolutes Vertrauen in die Fachleute.“ Nach der OP habe er sich „platt“ gefühlt, vor allem aber „dankbar“, erinnert er sich. Auch er brauchte damals eine ergänzende Chemotherapie. Heute sagt er: „Die Ärzte haben mir das Leben gerettet.“
Fortschritte in der Therapie des Bauchspeicheldrüsenkrebs
Werner Müller und Albert Meier – zwei schwerkranke Menschen, die überlebt haben und deren Geschichten auch anderen Betroffenen Mut machen sollen. Zumal sich die Medizin seit ihrer Diagnose vor vielen Jahren längst weiterentwickelt hat. So stehen für Patient*innen heute neue effektive Therapien zur Verfügung. Neben der klassischen Chemotherapie, die meist viele Nebenwirkungen mit sich bringt, kommen heute immer öfter „targeted therapies“, also zielgerichtete Therapien, zum Einsatz: Indem man erst das molekulare Profil der Tumorzellen eines Patienten oder einer Patientin analysiert, den genetischen Fingerabdruck des Tumors sozusagen, kann man Medikamente passgenauer auswählen. Von „personalisierter Medizin“ ist in diesem Zusammenhang oft die Rede – eine Entwicklung, die auch in anderen Bereichen der modernen Onkologie eine immer größere Rolle spielt. Dazu kommt: „Die Ergebnisse in der operativen Therapie haben sich deutlich verbessert“, sagt Oberarzt Prof. Demir. Das Risiko, eine Pankreasoperation nicht zu überstehen, sei geringer geworden.
Erlauben Biomarker und bildgebende Verfahren in Zukunft eine Früherkennung?
Noch größer wären die Überlebenschancen der Patient*innen allerdings, ließen sich Pankreastumore früher erkennen. Nur: Mögliche Symptome – dazu gehören ungewollter Gewichtsverlust, Schmerzen in Oberbauch und Rücken (bei etwa 50 bis 60 Prozent der Betroffenen) und Gelbsucht (rund 20 Prozent der Patient*innen) – treten oft erst in späten Stadien der Erkrankung auf. Doch noch gibt es keine Früherkennungsuntersuchung. Forscher*innen sind allerdings längst dabei, die Grundlagen für ein solches „Screening“ zu schaffen. So suchen sie nach sogenannten „Biomarkern“, die typisch für bösartige Pankreastumore sind. Gemeint sind damit biologische Merkmale, die sich im Blut oder in Gewebeproben messen lassen. Solche Biomarker könnten einen ersten Hinweis darauf liefern, ob Prozesse im Körper auf krankhafte Veränderungen hindeuten. Parallel dazu arbeiten Forscher*innen daran, bildgebende Verfahren zu verbessern – um dadurch in Zukunft bereits Krebsvorstufen erkennbar zu machen.
Online-Patientenforum am 18. November
Damit sich Patient*innen und andere Interessierte auch in Zeiten der Corona-Pandemie gut und sicher über aktuelle Behandlungsmöglichkeiten informieren können, bietet die Klinik und Poliklinik für Chirurgie zum Welt-Pankreaskrebstag am 18. November von 14 bis 16 Uhr ein Online-Patientenforum. Mehr Informationen zu den Themen und zur Teilnahme erhalten Sie hier.
Stichwort Pankreas: Kleine Drüse mit großer Wirkung
15 bis 20 Zentimeter lang, nur etwa drei bis dreieinhalb Zentimeter breit: Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) ist ein eher unauffälliges Organ. Nur 60 bis 70 Gramm leicht liegt sie im mittleren Bereich der oberen Bauchhöhle, eingebettet zwischen Milz, Leber und Magen in einer C-förmigen Schleife des Zwölffingerdarms. Sie ist fest mit der hinteren Bauchwand verwachsen, mit der Galle verbunden und wird von drei großen Blutgefäßen versorgt: Leber-, Darm- und Milzarterie. Die Bauchspeicheldrüse besteht aus drei Abschnitten, aus Kopf, Körper und Schwanz. Sie spielt eine zentrale Rolle für die Verdauung und die Regulation des Blutzuckerspiegels. So produziert sie etwa Verdauungsenzyme, die im Darm Nahrung in die lebenswichtigen Bestandteile Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette spalten („exokrine Funktion“). Sie bildet zudem Hormone wie Insulin und Glukagon, die den Blutzuckerspiegel regulieren („endokrine Funktion“). Die Bauchspeicheldrüse ist zwar eine kleine Drüse – aber eine mit einer großen Wirkung.
Das Universitätsklinikum rechts der Isar erstrahlt lila, in der Farbe des Weltpankreaskrebstages (18.11.). Vor dem erleuchteten Gebäude stehen: Prof. Dr. med. Helmut Friess, Direktor der Klinik und Poliklinik für Chirurgie (Mitte), Herr Prof. Dr. med. I. Ekin Demir, Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Chirurgie (rechts) und Tim Hafner (links), Diätassistent an der Klinik und Poliklinik für Chirurgie. Foto: Thomas Einberger, argum/Klinikum rechts der Isar